Vergil - Aeneis III

Übersetzung und Einführungstext von Rainer Lohmann

"Das dritte Buch stellt einerseits Äneas als neuen Odysseus dar, andererseits deutet es jedoch mit Entschiedenheit seine Existenz als die ständige Suche nach Götterzeichen, die ihn dem großen künftigen Ziel näherbringen. Es bietet also Anlaß, über Vergils Äneasbild – eher noch homo religiosus denn Held eines 'Entwicklungsromans' – nachzudenken." (Michael von Albrecht, Vergil: Bucolica, Georgica, Aeneis. Eine Einführung, Heidelberg 2006, S. 119.)

Aufbau und Inhalt des 3. Buches

Im zweiten Buch der Aeneis Vergils erzählt Äneas der karthagischen Königin Dido von der letzten Nacht Trojas und seiner Flucht aus der von den Griechen eroberten Stadt. Das dritte Buch setzt diese Schilderungen fort, indem Äneas den von zahlreichen Abenteuern begleiteten Fahrweg der auf Schiffen fliehenden Trojaner beschreibt, welcher seinen Endpunkt in Depranum auf Sizilien findet, wo Äneas' Vater Anchises stirbt. Im Verlauf der Handlung des dritten Buches tritt Äneas zunehmend als der für das zukünftige Schicksal der Trojaner Verantwortliche in den Vordergrund, der hier erstmalig seine persönliche Sendung interpretiert. In seinen Aktionen erfährt er Unterstützung durch Anchises, der infolge seiner ihm eigenen Verbindung mit den Göttern deren Absichten mit den Trojanern versteht und so zu ihrem Sprachrohr werden kann. R.D. Williams unterstreicht in seinem Vergilkommentar Anchises' Bedeutung für die weitere Entwicklung seines Sohnes Äneas und dessen Funktion als Vollstrecker des göttlichen Willens in der Geschichte:

"He [Aeneas] is a human with human imperfections, but he is able to triumph in the end because of the help Anchises had given him in the crucial early stages, and because of the knowledge that it is not for himself alone that he is enduring all these trials." (R.D. Williams, P. Vergili Maronis Aneidos Liber Tertius. Edited with a Commentary, Oxford 1962, p. 7)
Das dritte Buch lässt sich in drei längere Abschnitte gliedern:

1. Abschnitt (Verse 1-293)

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2. Abschnitt (Verse 294-505)

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3. Abschnitt (Verse 506-718)

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Das dritte Buch der Vergil'schen Aeneis nimmt eine zentrale Stellung in der Ökonomie des Ganzen ein. Mit ihm bereitet Vergil die künftigen Geschehnisse vor und macht durch die Begegnungen des Äneas mit den Griechen Andromache und Helenus sowie Achaemenides deutlich, "daß Äneas Vertreter eines nicht musealen, zukunftsträchtigen Troia ist." (M. von Albrecht, a.a.O. 120) Sein Handeln ist bestimmt von pietas gegenüber seinem Vater und den Göttern sowie durch Verantwortung für seine Gefährten. Dieses macht ihn zu einem homo religiosus, einem Menschen, der im Wissen um und im stillen Hinhören auf eine ihm übergeordnete Instanz unbeirrt seinen Weg geht, mag er auch bisweilen dem Irrtum ausgesetzt sein und der Orientierung bedürfen.